Trauer, Hoffnung und Gewissheit

Die Nacht war schlimm für mich. Nicht nur durch meine Erkältung sondern besonders durch den Verlust von Pilps. Ich bin in Gedanken immer wieder alles „Wenns“ und „Vielleichts“ durchgegangen:

Wenn der Sperber ihn nun verfehlt hat, vielleicht war es ja ein anderer….. Heute früh bin ich zur Haustür und hab erwartungsvoll auf unsere Holzbank geschaut. Aber da war kein Sperling. Und das Haus ist so seltsam leer ohne ihn. Der Gedanke, daß er vielleicht verletzt draußen rumliegt ihn dann eine Katze erwischt hat oder er sich einfach verflogen hat war schlimmer als alles andere. Wenn ich wenigstens Gewißheit hätte…….

Am Nachmittag wollte ich kurz zur Schwiegermama. Als ich gerade ins Auto klettere entdecke ich an einem der Spatzenbande-Lieblingsplätze wieder dieses Katzenviech im Gebüsch. Das war zuviel! Wild gestikulierend habe ich den Eindringling verscheucht und ihn dann noch ums Haus rum bis in den Garten verfolgt. Ich habe nichts gegen Katzen, aber in unserer Nachbarschaft gibt es dank verantwortungsloser Besitzer und fehlender Kastration viel zu viele. Und da mein Mann auf Katzenhaare hochgradig allergisch ist und wir ausgesprochene Spatzenfreunde sind, schätzen wir diese Vierbeiner in unserem Umfeld nicht besonders.

Hinten im Garten unter den Fichten sah ich plötzlich büschelweise Federchen und Schwungfedern, die mit Sicherheit gestern Abend noch nicht da waren. Ich bückte mich und sammelte meine Fundsachen behutsam ein. Nun kenne ich bei unserem Spatz wirklich jede Schwungfeder genau. Und so erkannte ich schnell einige ganz charakteristische Spuren, die nur von Pilps stammen konnten. An einigen Schwungfedern hatte er am Ende kleine Beschädigungen, und da er sich vor allem auf meinem Handgelenk immer ausgiebig geputzt hat, kenne ich dieses Muster sehr gut. Ich fand auch Federchen von Bauch und Rücken, letztere mit eindeutigen Spuren, daß ihn der Sperber wohl in Sekundenschnelle erwischt und getötet haben muß.

Jetzt weiß ich, daß mein Spätzchen nicht vor der Haustür auf mich warten wird. Ich brauche mir keine Sorgen zu machen, daß er lange leiden mußte. Für mich (so bescheuert wie es klingt) waren diese Federfunde heilsam und beruhigend. Ich weiß nun genau, was mit meinem kleinen Freund passiert ist. Und ich weiß, daß er es sich jetzt im großen Hirsefeld gut gehen läßt. Nichts ist schlimmer als Ungewißheit, und die habe ich jetzt hinter mir.

Ich habe seine Federchen eingesammelt und in einen Karton getan. Eine liebevolle Erinnerung an einen kleinen Kerl, der unser Leben fast Zwei Jahre bereichert und teilweise ordentlich auf den Kopf gestellt hat. Die Trauer um ihn werde ich wohl nicht mal eben so abschalten können. Aber ich bin mir sicher, daß wir uns eines Tages wiedersehen. Und so wie ich ihn kenne hat er im Hirsefeld jetzt schon reihenweise hübschen Spatzendamen den Kopf verdreht und sich das Bäuchlein richtig vollgefuttert.

Etwas von ihm lebt in jedem Spatz, den ich sehe. Alle sind etwas Pilps. Ich werde wieder Spatzen aufziehen, wenn mir welche gebracht werden. Und ichwerde sie wieder auswildern oder zumindest im Garten fliegen lassen. Pilps hat uns etwas wichtiges beigebracht:

Freiheit ist das Wichtigste im Leben, und nichts ist so ein wertvolles Geschenk wie bedingungslos gegebene Liebe.

Danke mein kleiner Freund – wir vergessen dich nie!

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