dachte ich zumindest bis vorhin. Logisch, daß man nicht einfach Bäume umsägt, Holz mitnimmt, sich an Pflanzen oder Tieren vergreift oder in Schonungen herumtrampelt. Aber das freie Umherstreifen im Wald habe ich mir noch nie verbieten lassen. Offensichtlich ist aber gerade das im Paragraphenland Deutschland nicht mehr so einfach:
Anweisung der Gemeinde an Fuldataler Kindergärten – Keine Haftung bei Unfall
Verbot aus dem Rathaus: Kindergarten darf nicht mehr in den Wald
18.03.11
Fuldatal-Ihringshausen. Das Waldsofa aus zusammengesteckten Ästen ist zwölf Meter entfernt. Und doch ist das Ziel für die Kinder der Tigergruppe unerreichbar. Sie stehen auf dem Feldweg und blicken auf ihren Frühstücksplatz, nur der liegt zwischen den Bäumen, im Wald. Und den dürfen die Kinder des Kindergartens Tanzplatz nicht mehr betreten.
Müssen draußen bleiben: Die Kinder vom Kindergarten Tanzplatz dürfen nicht mehr in den Wald.
So lautet eine Anweisung aus dem Rathaus. Der Tanzplatz habe sich das Thema Bewegung als Konzept auf die Fahne geschrieben, sagt Tore Florin, Elternbeirat der Tigergruppe. Wie er haben „viele Eltern ihre Kinder bewusst hier angemeldet“. Dass die Kinder jetzt nicht mehr in den Wald sollen, treffe auf Unverständnis. Florin: „Wir wollen das Angebot wiederhaben.“
Bis das Schreiben aus dem Rathaus Ende Februar eintraf, gab es für alle 85 Kinder vom Tanzplatz jeden Mittwoch einen Waldtag. Für den Donnerstag konnten Eltern ihre Kinder für einen zweiten Ausflug in die Natur einwählen. Jede Gruppe, die in den nur einen Kilometer entfernten Forst geht, begleiten drei Erzieher als Aufsichtspersonen.
Das Ausflugsziel gehöre den Waldinteressenten Ihringshausen, sagt Florin. Der Elternbeirat hatte bereits im Sommer 2009 gehört, dass die Besitzer Bedenken angemeldet hatten wegen eventueller Haftung bei einem Unfall.
Seitdem habe man von der Gemeinde nichts gehört. „Haben sich die Kinder seitdem im rechtsfreien Raum bewegt?“, fragt Florin. Und warum wurde nicht mit den Eltern eine Lösung gesucht, damit die Waldtage weiterhin stattfinden können? Denn an diesen „haben die Kinder viel gesehen und erlebt“, sagt der Vater einer dreijährigen Tochter.
Dies bestätigt auch Erzieher Stephan Polleschna. So habe die Gruppe im Herbst zum Beispiel Hexeneier entdeckt, aus denen später Stinkmorcheln wurden, was deutlich zu riechen war. Auf Ameisenbauten, Spechtlöcher und Hasenköttel stießen die Kinder bei den Erkundungstouren und „wir haben ein bisschen Baumkunde gemacht“, sagt Polleschna, der immer ein Bestimmungsbuch im Gepäck hatte.
Ging es tiefer in den Wald galten klare Regeln. Die Kinder haben sich als Forscher gesehen, die „keine Pflanzen kaputtmachen und Tierhäuser stehen lassen“, sagt der Erzieher. Natürlich durfte auch frei gebuddelt, gebaut und gespielt werden. „Man hat gemerkt, viele sind mit uns das erste Mal im Wald gewesen“, ergänzt Kollegin Annika Siebert.
Damit ist es jetzt vorbei, seit die Kinder auf den Wegen außerhalb des Waldes bleiben müssen. „Weil die es verboten haben“, weiß Ferris. „Weil da was passieren kann“, ergänzt Linus. „Das ist ganz doof“, meint Lena.
Das sagen die Waldbesitzer
Für Wälder in Deutschland gilt ein freies Betretungsrecht, sagt Helmut Arend, Vorsitzender der Waldinteressenten Ihringshausen. „Aber nicht für Veranstaltungen und Sondernutzungen wie regelmäßige Waldtage von Kindergärten.“ Bisher habe man diese geduldet. Wenn man die Waldtage aber genehmige, „müssen wir als Halter die Haftung für mögliche Unfälle übernehmen. Das können wir nicht.“ Die eigene Haftpflichtversicherung trete nicht für Sondernutzungen ein. Dies habe man der Gemeinde mitgeteilt. In den Buchenaltbeständen könnten immer mal trockene Äste herunterfallen, daher „müssen die Kindergartentage abseits der Wege unterbleiben,“ sagt Arend. (mic)
Das sagt die Bürgermeisterin
Bürgermeisterin Anne Werderich findet das Waldverbot „auch nicht gut“. Die Gemeinde habe aber keine andere Wahl gehabt. Denn, „wenn wir Kinder in den Wald schicken, sind wir verantwortlich. Die Unfallkasse Hessen würde aber nicht zahlen“. Dies gelte schon, wenn ein Kind am Waldtag im Forst stolpere oder sich an einem Ast verletze. Die Gemeinde könne die Verantwortung zum Beispiel über einen Vertrag mit den Eltern auch nicht abgeben. Alternativ könnte ein Waldbereich als fester Aufenthaltsort abgetrennt werden. Dieser müsste aber immer vorher kontrolliert werden, ob er sicher ist. Entsprechendes Fachpersonal habe die Gemeinde aber nicht. (mic)
Irgendwann reglementieren wir uns hier wirklich noch zu Tode. Was bin ich froh, dass ich bereits erwachsen bin und wir früher einfach mit unserer Lehrerin „raus“ gegangen sind.