Spatzenalarm am Samstag

ist wohl die passende Überschrift.

am Morgen brachte mir unser Dachdecker einen Eimer, gefüllt mit Nistmaterial, aus dem es erbärmlich piepste und auch schlimm roch. Das Ergebnis: Ein totes Küken, einige Tage alt, 2 nackte Nestlinge, die gerade Federn bekamen und die Äuglein öffneten, dazu 4 ziemlich empörte Halbwüchsige, kurz vor dem Ausfliegen.

AAAAH!

Da wurde ich dann doch etwas hektisch. Zuerst wuden die Kleinen aufgeteilt: Die größeren schnell in die Wickelkiste, die beiden arg ausgekühlten Kleinsten bei Falk in die warmen Hände und auf den Bauch. Das wohl schon länger tote und streng riechende arme Körperchen schnell in ein Zewa gewickelt und mit den Nestresten im Eimer draußen abgestellt. Dazwischen ein kritischer Blick auf die neuen Schützlinge, den Wärmeteller in die Mikrowelle und das Notfallpürree in die Futterspritze.

PUH!

Und dazwischen meine Mama am Telefon, seit Stunden heftigste Kopfweh aufgrund des Wetters und eine Krümel, die völlig aus dem Häuschen war. Nur Houdini und Geschwister verhielten sich zum Glück recht ruhig. Die Kleinsten waren durch Falk erfreulicherweise  wieder auf „Betriebstemperatur“ gebracht worden und machten es sich auf dem weich gepolsterten Wärmeteller gemütlich. Die vier Größeren waren entsprechend verstört und wütend. Und alle Küken stanken durchdringend nach ihrem toten Artgenossen. Irgendwie hatte ich da plötzlich auf ein gemütliches spätes Frühstück so gar keine Lust mehr. Die Kleinsten machten sich auch bald durch Bettelrufe bemerkbar und sperrten ihre gelb umrandeten Schnäbelchen weit auf. Sie betrachteten mich aus den gerade geöffneten Äuglein und ließen sich problemlos mit dem Spezialbrei betanken, erledigten dann ihr Geschäft und sanken satt und müde wieder auf ihrem neuen Nest zusammen. Nicht so ihre größeren Verwandten. Die Kleinen waren einfach nur stinksauer. Und so mußte ich zur „Erstbefüllung“ leider auch die Futterspritze und einge Tricks anwenden. Auch hier waren die Kerlchen dann mit gefüllten Kröpfen schon besser gelaunt und müde.

Was tun mit insgesamt 10 Spatzen in 4 „Behältern“, von denen 6 noch ständig per Hand gefüttert werden müssen? Am nächsten Tag hatte ich einen Räucherhexeneinsatz, und das geht mit Küken ja nun gar nicht.Auch wenn Falk sich als Ersatzmama anbot – das konnte ich so nicht bewältigen.

Die Auffangstation des NABU in Göttingen war meine Rettung. Eine längere Recherche mit Krümels Hilfe im Internet, ein kurzes Telefonat und dann wurde der Dieselbesen mit Kükenwohnheimen beladen. Auch Houdini und Geschwister kamen mit. Nur Krümelchen blieb „bei Papa“ zurück. Wie soll ich auch einen Spatzen zur Auswilderung geben, der zum Schlafen unter Tücher kriecht, ständig gestreichelt werden möchte und schlagsahnesüchtig ist? Nein, Krümel bleibt bei uns, da sie keine natürliche Scheu vor Fremden hat. Das wäre einfach zu gefährlich.

Hierbei habe ich wieder festgestellt, daß es für Spatzen einfacher ist in der Gruppe groß zu werden. Als absolute Schwarmvögel brauchen sie unbedingt Ihresgleichen, sonst ist der Mensch „Ersatzkumpel“. Houdini und Co. brauchte ich nicht vom Menschen zu entwöhnen. Sie beschäftigten sich untereinander und hielten zu uns Federlosen immer einen respektvollen Abstand. Zum Schlafen saßen sie stets dicht aneinandergekuschelt auf einem Ast. Krümel, die ja als Einzelogel kam, suchte diesen Kontakt bei uns Menschen. Und das wird sie wohl auch weiterhin tun.

Während der Fahrt nach Göttingen natte ich das reinste Spatzenkonzert im auto. von zart piepsend über hungrig rufend bis zu schon recht tiefen „hier bin ich – wo bist du?“ Rufen war das gesamte Spektrum der spatzenkommunikation zu hören. Auf halber Strecke hielt ich an und versorgte die Jüngsten nochmals mit Futterbrei.

Beim Nabu angekomen wurden die Kleinen auf verschiedene Käfige verteilt – natürlich in ihren grwohnten Gruppen. Die Kleinsten bezogen einen weich gepolsterten Joghurtbecher im Brutschrank. Noch eine kurzer Blick in dei vielen besetzten Pflegekäfige: Von Meise, Buchfink, Amsel bis zu Elster und Rabenkrähe war alles vertreten. Dann nahte der Abschied. Netterweise darf ich immer nachfragen, wie es den Kleinen geht. Derr Nabu hat außer der Pflegestation und Übergangsvolieren ein eigenes Grundstück mit Wald, in dem die Piep dann behutsam umgewöhnt werden,. Also waren meine Schützlinge in den besten Händen.  mit ziemlich gemischten Gefühlen fuhr ich Richtung Heimat. Leere Kartons und Käfige im Auto und trotz aller Vernunft ein Gefühl des Verlustes. Ich hatte mich schon wieder so an meine Rabauken gewöhnt.

Plötzlich ein leises Tschilpen aus dem Bereich der Ladefläche. Erst hielt ich dieses Geräusch für Einbildung, vielleicht auch verursacht durch meine Kopfschmerzen und den turbulenten Tag. Aber das Geräusch wiederholte sich hartnäckig. Also wurde die Autobahn verlassen und dann die leeren Behälter untersucht. Käfig: leer. Wärmenest: leer. Wickelkiste: Da ist doch was im Halstuch! Und tatsächlich hatte sich das Kleinste der vier Halbwüchsigen im Halstuch verkrochen und war glatt übersehen worden. Na gut, wieder rauf auf die Autobahn, zurück nach Göttingen…hallo Nabu, ich bin’s wieder…wir hatten da wen übersehen…..Und zack, war das Küki bei seinen Geschwistern.

Auf dem (erneuten) Heimweg wäre ich dann vor Kopfweh fast aus dem Auto gesprungen. Dieser Tag war für mich auf jeden Fall erledigt. Erst in den Abendstunden ging es mir dann besser.

Diese Woche werde ich mich mal nach dem Wohlergehen der Kerlchen erkundigen. Ich hoffe, es geht allen gut. Auch wenn ich nicht jedem Vogelkind helfen kann, so haben wir dieses Jahr schon zehn kleine Leben retten können. Und auch wenn außer dem tapferen Houdini kein Spätzchen einen Namen hatte: Ich werde keinen der Kleinen so schnell vergessen. Und wie ich unseren Dackdecker kenne, klingelt er mit Sicherheit diese Woche erneut, da die blöden Menschen immer zur Spatzenbrutzeit ihre Dächer erneuern müssen.

Zum Abschluß noch die Erinnerungsfotos an meine Pflegekinder auf Zeit. Ich meine, es sind wundervolle Küken.

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