so Allerlei

Rund um rattus noctis und die Räucherhexe

Leer?

Nachdem die letzten Tage so „irgendwie“ herumgegangen sind und alles wie in Nebel gehüllt war habe ich heute so ein ganz anderes Gefühl. Nach Tagen voller „Watte im Kopf“ nehme ich die Natur um mich herum endlich wieder wahr. Die Sonne scheint und ringsum explodiert jede Pflanze nahezu vor Wachstum und Lebenskraft. Seit dem letzten Mal, wo ich die Natur bewusst wahrgenommen habe, hat sich doch einiges getan. Blüten und grüne Blättchen überall, dazu verliebte Piepmätze (und mein kleiner Sperling macht da keine Ausnahme).

Und so war mir heute früh auf dem Weg zum Laden ziemlich seltsam zu Mute: Das Gefühl eines dicken Steins in der Bauchmitte, aber gleichzeitig den Kopf so leicht und frei, dass ich anfing ein Lied vor mich hinzusummen. Mittendrin brach ich erschrocken und verschämt ab. Die Urnenbeisetzung von Papa steht noch bevor und ich singe? Was war mit mir los? Gestern noch voller Tränen und heute singend? Und das in schwarzen Klamotten, die ich auch ansonsten oft aber momentan extra für Papa trage? Wo war meine Trauer hin? Hatte ich mich etwa „leergetrauert“? Gibt es so etwas überhaupt? Dass man weinen kann, bis man keine Tränen mehr hat, diese Erfahrung musste ich schon oft machen. Aber kann man auch trauern, bis man keine Trauer mehr hat? Oder verschiebt sich die Trauer vom Kopf bis in den Bauch? Das würde zumindest das fehlende Hungergefühl und den gefühlten „dicken Klumpen“ in der Körpermitte erklären. Immer wenn ich versuche an Papa und die letzten Tage zu denken habe ich das Gefühl, als wenn mein Gehirn auf Durchzug schaltet, eine Art Testbild-Film einblendet und der Druck im Bauch größer wird. Wie ich damit gerade umgehen soll weiss ich nicht so recht. Vielleicht ist es meine Art, mit diesem Verlust fertig zu werden oder eine Schutzreaktion des Körpers und der Seele. Aber ich sollte meine Reaktionen so akzeptieren wie sie sind und mich dabei nicht selbst unter Druck setzen. Auf einer Trauerfeier für eine gute Bekannte sagte der Pastor, dass man seine Trauer auch auskosten solle. Nur wenn man die Trauer auskoste und sich auch mal hineinfallen lasse, könne man ohne Schaden daraus wieder auftauchen, ohne sich endlos darin zu verlieren. Er hat ja so Recht!

Früher gab es dafür das Trauerjahr und man war durch die Trauerkleidung auch nach außen hin sichtbar beschützt. Beschützt vor dem Zwang komplett funktionieren zu müssen, beschützt vor künstlichem Fröhlichsein und Feiern, auf die man nicht wollte. Ich habe mich in meine Trauer hineinfallen lassen und ich koste sie auch aus. Weil Papa mir so viel bedeutet hat und weil manche dinge einfach so sein müssen wie sie sind. Am Mittwoch nach der Urnenbeisetzung werde ich nochmals auf den Friedhof gehen und auf meine ganz eigene, hexische Weise von Papa Abschied nehmen. Und ich werde meine Gefühle und Reaktionen so nehmen wie sie sind. Das ist eine Sache zwischen Papa und mir und meine ganz individuelle Art, seinen Tod zu verarbeiten. Und wenn er jetzt vom Sommerland aus zuschaut dann bin ich mir sicher, dass er das völlig in Ordnung findet.

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Die letzten Tage waren schwer.

Besonders der gestrige Tag hatte es in sich. Die Trauerfeier für meinen Schwiegerpapa. Tagelang hatten wir die Köpfe voll mit Formularen, Listen mit zu erledigenden Dingen. Haben uns bewusst in Arbeit gestürzt, um nicht denken zu müssen. Zwischendurch war immer Zeit zum Luftholen, und dann kam das Nachdenken und damit auch die Tränen. Wie gern hätten wir die Zeit seit Donnerstag morgen zurückgedreht, wie gern den gestrigen Tag einfach nicht stattfinden lassen. Aber manche Wege muss man gehen, auch wenn sie so verdammt schwer sind.

Der Bestatter war sehr hilfsbereit, so freundlich und verständnisvoll. Danke für die Betreuung, die vielen Tipps und das Abnehmen von Behördengängen aller Art. Wir wurden sanft durch alle notwendigen Abläufe geleitet und hatten jederzeit die Möglichkeit, unsere persönlichen Wünsche und Bedürfnisse einzubringen. Auch dass wir Papa noch einmal sehen konnten hat uns sehr geholfen. Dieser letzte Blick auf ihn, wie er da so ganz friedlich lag und schlief, war gut. Er musste nicht leiden und das war der einzige Trost, als wir so vor seinem offenen Sarg standen. Mama hatte ihm seine „Wohlfühlsachen“ mitgebracht und in seinem hellen, weichen Hemd, der schwarzen Jeans und der roten Strickjacke sah er so aus, als würde er nur sein Mittagsschläfchen halten. Leuchtend rote Nelken im Sarg und in seinen Händen, die genau zu seiner Jacke passten und dazu das sanfte Licht von vielen Kerzen – auch solch eine würdevolle Aufbahrung gibt Trost.

Die Tage dazwischen gingen irgendwie vorbei. Irgendwie, denn man hat das Gefühl, dass man alles etwas verschwommen und gedämpft wahrnimmt. Man hält immer wieder inne und fühlt sich seltsam lebensfremd und körperlos. Das muss wohl so sein wenn man so viele Tränen vergiesst, die Augen so rot und zugeschwollen sind dass man sie kaum noch offenhalten kann. Die Nächte waren nicht viel besser: todmüde, dann zu müde zum schlafen und schließlich total wirre Träume ohne Bezug zu irgendetwas.

Gestern dann die Trauerfeier:

Ein Kranz und das passende Sarggesteck aus gelben Nelken und gelbem Ginster. Diese Blumen waren in Mamas Brautstrauss, als sie vor 49 Jahren geheiratet hat. Da sie die goldene Hochzeit nun nicht mehr zusammen feiern können, hat sie Papa die Hochzeitsblumen als letzten Schmuck mitgegeben.

„Großer Bahnhof“ für Papa, wie das auf einem kleinen Dorf so ist. Es müssen mindestens 150 Leute gewesen sein, eher mehr. Und da er über30 Jahre bei der Stadt war, hat der Bürgermeister nach dem „christlichen“ Teil einen Nachruf auf Papa vorgetragen. Seine letzten Worte waren: „Gerhard ist tot, aber wir werden leben.“ Das hätte Papa gefallen.

Die Feuerwehr stand Ehrenwache vor der kleinen Friedhofskapelle, drin war es viel zu voll und auch zu wenig Platz. Nahezu alle der freiwilligen Feuerwehr Wega waren gekommen. Als alle Kränze abgelegt und alle Nachrufe verlesen waren, blies unser Dorftrompeter „ich hatt‘ einen Kameraden“. Die Töne klangen so klar über den Friedhof und durch die Kapelle, dass die gesamte Trauergemeinde hemmungslos geheult hat.  Es gab da keinen, der nicht plötzlich feuchte Augen hatte.

Wir haben uns dann an den Ausgang der Kapelle gestellt und unzählige Hände geschüttelt, Beileidsbekundungen entgegengenommen und teilweise Leute getröstet, die das Ganze sehr heftig berührt hatte. Ich kann mich kaum an alle erinnern, hab nur mechanisch Hände geschüttelt und leise danke gemurmelt. Irgendwann war auch das überstanden (obwohl ich am liebsten in die Knie gegangen und umgekippt oder geflüchtet wäre) und man machte sich auf ins Dorfgemeinschaftshaus zum Beerdigungskaffee. So ist das halt „uff’m Dorfe“. Mein Mann und ich sind noch mal in die Kapelle gegangen und haben uns von Papa verabschiedet. Mein Mann hat seine Hände auf den Sarg gelegt ehe er ging. Viel sagen konnten wir nicht.

Auch das gemeinsame Kaffeetrinken war eine angenehme Sache. Viele „Helferlein“ aus dem Dorf hatten uns die Arbeit abgenommen. Es tat gut, mit den Trauergästen zu reden und uns über Papa, aber auch über so viele alltägliche Kleinigkeiten zu unterhalten. Auch wenn eine Dorfgemeinschaft oft eng und sehr neugierig ist, ist es doch eine Gemeinschaft. und das konnten wir gestern besonders deutlich spüren. Wie schön, dass wir nicht alleine waren!

Leider wurde das gute Gefühl ausgerechnet vom Verhalten der „Frau Pastorin“ getrübt. Zum einen hatte die besagt Dame offensichtlich nicht zugehört, als Mama ihr die Stationen von Papas Leben erzählte. Sie sagte bei der Vorbesprechung stets „ja,ja“ und machte kaum Notizen. Und so brachte sie bei der Predigt nahezu alle Daten durcheinander und verpasste Mama auch noch den Mädchennamen der Oma. Tja, wenn man bedenkt, dass „ja, ja“ als Antwort das Synonym für „l.m.a.A.“ ist……..

Für mich persönlich hielt die Dame noch zwei besondere „Ohrfeigen“ bereit: Bei der Vorbesprechung ignorierte sie mich anfangs komplett. Ich wurde weder begrüßt noch bekam ich das Beileid ausgesprochen. Sie begrüßte die Familie meines Mannes, ging an mir vorbei, sprach mit meinem Mann, setzte sich dann und starrte mich an. Nach der Trauerfeier gab sie mir zwar die Hand und wünschte Beileid, drehte dabei aber demonstrativ den Kopf zur Seite und sah an mir vorbei. Herzlich willkommen im Mittelalter! Ich habe keine Lust, mich über dieses Verhalten weiter aufzuregen. Allerdings finde ich solch ein Benehmen mehr als traurig. Und das alles im Namen dessen der doch sagte „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“.

Liebe Frau Pastorin:

Nur weil ich keine Christin bin, bin ich noch lange nicht besser oder schlechter als jeder Andere. Und auch Hexen sind einfach nur Menschen, und sie trauern genauso um jemanden, den sie geliebt haben, wie jeder Andere auch! Anstatt auf das Geschwafel pubertierender Kiddies im Konfirmandenunterricht zu hören (ja, ich weiss, dass ich bei den Blagen Thema Nr.1 bin, weil ich doch angeblich Nachts im Wald Meerschweinchen umbringe und sie austrinke), hätten Sie ja einfach mal mit mir REDEN können. Schade, dass Sie sich Ihren „Chef“, der sich sogar zu Ausgestossenen dazusetzte und mit ihnen sprach, hier nicht als Vorbild genommen haben. Nächsten Mittwoch ist die Urnenbeisetzung. Dann haben sie ja erneut die Gelegenheit, mir in die Augen zu sehen.

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ich trage trauer

heute früh, am 15.04.2010 um 4.00 uhr hat mein schwiegerpapa gerhard die reise über den großen fluß der ewigkeit angetreten.
gekämpft, gehofft und doch verloren!
er hat die letzten 10 jahre so unendlich viel mit so viel gelassenheit ertragen.
mein „papa-schlumpf“, ich hoffe es geht dir dort gut, wo du jetzt bist.
ich verneige mich vor deinem mut zum leben und deiner stärke.
irgendwann nehme auch ich die fähre und ich hoffe, du holst mich am anderen ufer ab.

noch einmal am ufer des meeres steh’n,
noch einmal die hohen berge seh’n,
noch einmal stehen und lauschen,
wie die abendwinde ums wohnmobil rauschen.

papa,

gestern noch bat ich meine götter, dir beizustehen. ihre antwort war:“ soweit wir das können“. der tod kam gnädig im tiefen schlaf, in den dich die ärzte schon vor tagen gelegt hatten. du bist mit der hoffnung auf genesung eingeschlafen und erwachst nun im sommerland. auch wenn ich dich sehr vermisse bin ich doch so dankbar dafür, dass du nicht leiden musstest. ich hatte dir und mama noch unendlich viele schöne jahre zusammen gewünscht, aber es sollte nicht sein. dein sessel bleibt leer und deine familie steht fassungslos vor einer lücke, die niemand schliessen kann.

ich bin so abgrundtief traurig.

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Lost Places, oder die Schönheiten des Verfalls

Verlassene Gebäude üben auf mich und meinen „Gemahl“ schon lange einen großen Reiz aus. Man besieht sich die Räumlichkeiten, findet Möbelreste oder Gegenstände und überlegt, wer diese wohl zuletzt in den Händen hatte. Oft geben diese verlassenen Mauern ein Echo derer ab, die dort einmal anwesend waren. Wenn man schweigt, die Augen schließt und lauscht, dann kann man sie noch immer hören.

Verlassene Gebäude erkunden – das tun wir schon seit einer kleinen Ewigkeit. Inzwischen hat das Ganze auch einen Namen: „Urban Exploring“, kurz auch „Urbex“ und „Lost Places“. Wer danach im Web sucht, wird rasch fündig und teilweise mit wunderschönen Bildern belohnt. Oft ist diese Art der Expedition nicht ungefährlich. Man sollte sich genau überlegen, ob man ein altes Gebäude betritt. Einsturzgefahr, Hinterlassenschaften aus industrieller Produktion und nicht zuletzt rechtliche Fragen sollten beachtet und für jeden selbst abgewogen werden. Nicht zuletzt muss auch die Würde des Ortes gewahrt bleiben. Wir verstehen uns als Beobachter und Dokumentatoren. Es wird weder etwas beschädigt noch mitgenommen.

Diese Orte haben eine einzigartig-eigenartige Atmosphäre. Teilweise beschleicht uns Wehmut, wenn wir durch Räume wandern, die einmal belebt waren, wo gearbeitet, gelacht, geliebt und auch geflucht wurde. Man sucht nach Zeichen derer, die einmal dort waren und fragt sich immer wieder, was diese Mauern so alles gesehen und gehört haben.

Wir haben hier so einige dieser vergessenen Orte und am Ostermontag nutzen wir unsere Zeit, um einen davon etwas näher  zu erkunden. Das Wetter war zwar sehr durchwachsen und wir wurden auch mehrere Male ordentlich eingeweicht aber das hatte Vorteile: wir waren nahezu allein unterwegs. Auch wenn ich nur eine kleine Digicam habe finde ich doch, dass die Fotos gut gelungen sind.

Das Gelände und die Gebäude auf den Bildern sind übrigens mit Vorsicht zu geniessen. Der Boden ist teilweise in mehreren Etagen unterkellert bzw. von Kanalsystemen und morschen Rohrleitungen durchzogen. Wer da nicht plötzlich in ein Loch fallen und mehrere Meter tiefer unsanft landen will, sollte extrem vorsichtig sein.

Am Ende unserer Tour stiessen wir noch auf ein abgestelltes Baufahrzeug. Wie ein ruhender Dinosaurier lag es da.

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Die letzten Tage

war ich leider etwas „unfrisch“. Ich hatte mir vor zwei Wochen zu viel zugemutet und mir ordentlich den Rücken verknackst. Dank Juttas liebevoller Massage und einer nächtlichen Dauerbewärmung mittels Heizkissen kann ich mich inzwischen wieder bewegen, ohne vor Schmerzen die Luft anhalten zu müssen.Und was sollte ich endlich lernen? Dass meine Wirbelsäule an manchen Stellen eben nicht alles so mitmacht. Und dass ich lieber mit weniger Last einmal mehr laufen sollte. Und das ich manche Sachen eben akzeptieren muss. Ok, Lektion gelernt!°

Heute früh habe ich auf dem Weg zum Laden wieder die Schwanengruppe an den Ederwiesen beobachtet. wie dicke Federkissen hocken sie zusammen auf einem Acker. Immer paarweise, nur ein Vogel sitzt allein da und wartet wohl noch auf sein Gegenstück. Direkt daneben ein Bussard, der vorsichtig über den matschigen Untergrund schritt. Schlammige Füße mag wohl niemand.

Und gerade wo ich so richtg Sehnsucht auf das erste Grün an den Büschen hatte, kommt die Sonne hervor und am Straßenrand leuchten an den Ästen die ersten zarten Blättchen. Schöner kann ein Arbeitstag doch nicht anfangen, oder?

Eine leider nicht so schöne Nachricht hatte ich dann vorhin in meinem Postfach. Es war das Rundschreiben des BMT und enthielt eine absolut unösterliche Botschaft. Besonders schlimm für mich, da ich einmal durch Zufall über ein entsprechendes Video auf YouTube gestolpert war und diese Bilder immer nur ganz schwer aus dem Kopf bekomme. Auch wenn ich nicht mit allem was der BMT tut absolut einverstanden bin: Hier bekommen sie mit Sicherheit meine Stimme!

Wer auf YouTube jetzt nach entsprechenden Videos suchen sollte dem sei gesagt, dass das wirklich nichts für schwache Nerven ist. Ich habe lange daran zu knabbern gehabt.

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