Schon wieder geht ein Jahr zu Ende

und für mich ist es regelrecht gerast.

Bin ich nicht letzte Woche erst aus den USA zurückgekommen? Da war doch noch September. Habe ich nicht gestern erst das Tannengrün in der Wohnung verteilt? Und überhaupt, der letzte Jahreswechsel war vor gefühlten 6 Monaten. Die Zeit scheint zu rasen, fegt an mir vorbei. Die Stunden verstreichen nicht, sie verfliegen, sausen, flitzen davon. Ich stehe oft ratlos vor dem, was ich mir vorgenommen habe und stelle erschrocken fest, daß die Zeit dafür einfach nicht ausreicht.

Zeit! Was ist das überhaupt mit der Zeit? Zeit haben, Zeit verplempern, Zeit schenken, Zeitmanagement, geliehene Zeit… unsere Welt ist voll von Begriffen, die mit der Zeit zusammenhängen. Dabei ist Zeit so ein flüchtiger Begriff. Wir „modernen“ Menschen haben aus dem einfachen Wechsel von Tag und Nacht etwas gemacht, was penibelst in winzig kleine Einheiten unterteilt wurde. So wie ein kostbares Edelmetall, das nur in kleinsten Dosen gemessen und abgegeben wird. Und je kleiner diese Einheiten sind, je mehr Wichtigkeit jeder Sekunde beigemessen wird, desto schneller scheint die Zeit zu verfliegen. Zeit ist plötzlich nicht mehr für alle gleich vorhanden, Zeit wird zur Kostbarkeit und jetzt auch zur Handelsware. Eine große Supermarktkette hat jetzt sogar Kärtchen für’s Zeit schenken im Angebot. Eine Karte mit Schokoherz und freiem Feld,  in das man die geschenkte Zeit eintragen kann.

So weit ist es also schon gekommen, daß man Zeit in Häppchen verschenkt. Zeit, die man haben sollte. Für sich und für andere. Zeit, die man sich einfach nehmen sollte, ehe die Zeit um ist. Denn egal wie wir die Zeit einteilen, bemessen und bewerten, wir haben nur ein begrenztes Kontingent davon zur Verfügung. Irgendwann ist für jeden von uns die Zeit abgelaufen. Und dann? Ach hätte ich doch… wieso hab ich nicht… könnte ich doch noch mal… Warum nicht jetzt damit anfangen und endlich einmal die Zeit so verteilen, wie man selbst es möchte? Raus aus diesem Hamsterrad von schneller, besser, effizienter. Weg von dem, was uns als ach so erstrebenswert und absolut lebensnotwendig täglich suggeriert wird? “

Aber ich muss doch…“ wird jetzt die Antwort sein. Auch das stimmt. Aber jenseits vom „Müssen“, um die Existenz zu sichern, müssen wir gar nichts. Wir müssen nicht rund um die Uhr erreichbar sein, wir müssen nicht ständig Überstunden machen, wir müssen nicht Jedermanns Liebling sein und allen gefallen… Aber wir sollten unsere Zeit nutzen. Nicht für andere, die mit unserer Zeit Profit machen, sondern für uns selbst und für die, die unsere Zeit so dringend brauchen.

Die Rauhnächte sind eine gute Gelegenheit zum umdenken. Früher fuhr man in dieser Zeit alle Aktivitäten zurück, saß beisammen und ging in sich. Was für ein Gegensatz zur heutigen, völlig durchgedrehten und hektischen Weihnachtszeit. Wie wäre es denn einfach mal damit, die berühmte „fünf gerade sein zu lassen“, durchzuatmen und sich auf das zu konzentrieren, was wirklich wichtig ist? Was brauche ich denn wirklich? Was muss denn unbedingt wirklich jetzt und sofort erledigt weden? Und was davon ist wirklich wichtig?

Keiner von uns weiß, wieviel Zeit ihm geschenkt wird. Wir sollten sie also weise nutzen.

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The walking dead become reality.

Ich habe es immer irgendwie geahnt, gefürchtet: Die Zombies sind unter uns! Sie sehen nicht verwest aus, stinken nicht und beissen auch (noch) nicht. Aber sie bewegen sich seltsam ferngesteuert, nehmen ihre Umgebung nicht wahr und  tauchen plötzlich überall auf.

Es scheint sich um ein Virus zu handeln, das hauptsächlich Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene befällt. Hatte man diese Spezies jahrelang kaum in der Öffentlichkeit herumwandern sehen, so erscheinen sie neuerdings schlagartig und zuhauf an allen erdenklichen Orten. Die Blicke starr auf ein glänzendes Täfelchen in ihren Händen gerichtet, die Daumen hektisch zuckend, durchwandern sie ihre Umgebung, ohne von ihr Notiz zu nehmen.

Heute durfte ich staunend erleben, wie ein ganzes Rudel dieser Neo-Zombies einen nicht unerheblichen Verkehrsststau um den Fritzlarer Kreisverkehr verursachte. Alle Infizierten wankten schrittweise über den Zebrastreifen (soweit scheinen die Überlebensinstinkte noch zu funktionieren), blieben mittendrin stehen (offensichtlich schwinden die Instinkte auf halber Strecke) , um dann nach erreichen der Sitzgruppe auf der Kreiselmitte abrupt in eine Art embryonale Kauerstellung zu gehen, während sie weiterhin unentwegt auf die glänzenden, kleinen Tafeln starrten. Erst langsam löste sich der Stau, der inzwischen zurück bis zur nächsten Ampelkreuzung reichte, auf. Offensichtlich waren die beteiligten Autofahrer ebenso irritiert wie ich. Oder sie wollten die Zombies nicht auf sich aufmerksam machen. wie sonst wäre es zu erklären, dass nicht ein einziges Mal eine Hupe ertönte?

Ich war irritiert, sowohl über das seltsame Verhalten als auch über den Stau zu unüblicher Stunde. Hatte ich etwas in den Nachrichten übersehen? War eine neue Seuche ausgebrochen? Von offizieller Seite schien es keinen Seuchenalarm zu geben, bewegte sich die oben genannte Gruppe doch direkt vor dem Fritzlarer Krankenhaus, ohne von medizinischem Personal in Schutzanzügen behelligt zu werden. Also Entwarnung, es ist wohl nicht ansteckend. Oder doch? Hatte ich mich gerade erst beruhigt, flammten die Zweifel und Ängste erneut auf, als ich auf dem Heimweg eine Gruppe Jugendlicher entdeckte, die in exakt der gleichen, der Realität entrückten Art und Weise, über eine Wiese neben der Bundesstraße wankten, die sicher seit Ewigkeiten kein menschliches Wesen mehr betreten hatte.

Beide Orte lagen etliche kilometer auseinander. War das Virus zeitgleich an verschiedenen Stellen ausgebrochen? Verbreitete es sich durch die Luft? Und ich war mit offenen Fenstern unterwegs gewesen! Zu Hause ngekomme, trieb es mich an mein Smartphone. Schnell mal im internet schauen, ob…

Moment mal: Sahen diese Täfelchen in den Händen der Zombies meinem Smartphone nicht verdächtig ähnlich? Und hatte gestern nicht ein Freund etwas von „da gibt es jetzt was, was die Leute zu Zombies macht“ gesagt? Ich wurde schnell fündig: Ausgerechten die Datenkrake mit dem großen „G“ lieferte in Sekunden die gewünschten Informationen. Ein neues „Spiel“ ist im Umlauf. Pokemon Go heisst es wohl. Irgendwie zwingt es die Teilnehmer, mit ihren Smartphones in den Händen stundenlang draussen herumzulaufen, mit der Kamera alles aufzunehmen und dabei virtuell eingebendete Fantasiefiguten einzufangen.  Äh???

Wer bitte ist so gaga, dass er sein Datenvolumen damit verbraucht, dauernd aufgenommene Bilder von Allem und Jedem an unbekannte Ziele zu schicken? Und sich dabei noch via GPS Tracking bei jedem Schritt verfolgen zu lassen? Oh, und natürlich kann man in dieser Seuche in diesem Spiel auch noch Käufe tätigen und ein Schweinegeld ausgeben. Wo landen die Daten? Was wird aufgezeichet und wie verwendet? Was passiert mit Menschen, Gebäuden, Autokennzeichen usw. die aufgenommen werden, ohne dass betreffende Personen oder Eigentümer etwas davon mitbekommen? Ist es wirklich so verdammt einfach, Leute zu stundenlangen Fußmärschen zu bringen und dazu noch ihre gesamten Daten gratis abzugreifen?

Das muss wirklich eine Seuche sein, ein Virus den ein geniales Verbrecherhirn erschaffen hat. Ich glaube, ich bin glücklicherweise immun dagegen. Für mich heisst es jetzt: Augen auf, damit ich keine Neo-Zombies überfahre. Noch scheinen es doch irgendwie Menschen zu sein und man wird belangt, wenn man sie im Straßenverkehr erlegt. Sicher gibt es dafür keine Bonuspunkte, im Gegenteil.

Und für mich heisst es definitiv: Pokemon-No-Go!

 

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Wir haben unsere Erde nur geliehen.

Und zwar von unseren Nachkommen. So heisst  es doch oft. Das bedeutet auch, wir sollten umsichtig, rücksichts- und respektvoll mit dem umgehen, was uns geschenkt wurde. Denn es ist ein Geschenk auf Zeit. Ist nicht „Achtsamkeit“ eins dieser Modewörter, das so gerne in den Mund genommen wird?

Vor einiger Zeit war ich mit meinem Mann auf einem sehr gut besuchten Flohmarkt. Wir machten zum Ende des Besuches für eine Pause am Getränkestand halt, und ich genoss ein ausgesprochen leckeres Fischbrötchen und eine Apfelschorle. Das Nahrungsangebot dort ist wirklich verlockend, zumal noch ein Landmarkt angeschlossen ist. Vom Veganer bis zum Steakliebhaber findet jeder etwas, dazu Pizza, Eis, Orientalisches….

Ich stehe da also, betrachte die Besucher während ich schmause. Da kommt die „Familie Helikopter“. Nennen wir sie mal so. 😉 Vater, Mutter , zwei Kinder ca. 5 und 2 Jahre alt. Teure, schicke Kleidung, die Eltern perfekt gestylt. Kinderwagen und Fahrräder der lieben Kleinen eine hochpreisige Marke. Kinder und Eltern haben jeder ein ziemlich großes Eis un der Hand, was auch genüsslich verzehrt wird. Ihr wisst schon, die großen, rautierten Waffeltüten mit mindestens zwei dicken Kugeln drin.

Der Älteste schleckt sein Eis und sieht plötzlich den Getränkestand. „Ich hab Durst!“ schallte es lautstark neben mir. Ich bin erstaunt. Wie kann man Durst haben, wenn man gerade ein grosses Eis verzehrt? „Ich hab Durst!!!“ Diesmal lauter. Das Kind schielt zum Getränkestand und beobachtet dann genau seine Eltern. Kommt es mir nur so vor, oder hat der Kleine einen wirklich berechnenden Gesichtsausdruck? Die Eltern schauen das Kind an. „Ich hab Durst, ich hab Durst, ich hab Duuuuurst!“ Offensichtlich in ausgewachsener Notstand, drohende Dehydrierung und schwerwiegende Folgeschäden für den Nachwuchs. Die Mutter schickt den Vater los, der pflichtschuldig Getränke holt. Für sich, seine Frau und ein Glas (0,3) mit Sprite für das durstige Kind. Der kleine Bruder futtert derweil ganz entspannt weiter sein Eis. Das „durstige Kind“ trinkt zwei Schlucke. „Mamaaa, ich mag mein Eis nicht mehr.“ Mama Helikopter zeigt ihrem Kind den Mülleimer neben dem Würstchenstand. Der kleine Scheißer wandert zielstrebig los und versenkt sein wundervolles, erst halb gegessenes Eis im Müll. Parallel dazu geht mein Mann, langhaarig, bärtig und mit Rockerkutte gerade zur Würstchenverkäuferin, um ihr zu sagen, wie gut ihm die Currywurst geschmeckt hat. „Mama, nimmt der Mann da jetzt mein Eis aus dem Müll und isst es?“ Fingerzeig auf meinen Gatten. Die Mutter schielt verstohlen zu mir herüber und verneint dann. Ganz wohl scheint sie sich nicht zu fühlen. Jetzt will auch noch der kleine Bruer sein Eis wegwerfen. Schließlich hat der Große ja auch… Voll zum kotzen sowas.

Etwas Wind kommt auf, den alle (ok, FAST alle) umstehenden genüsslich aufnehmen. Schließlich sind es weit über 20 Grad und eine leichte Brise ist da ganz angenehm. Mama Helikopter zieht beiden Kindern ein schlauchartiges Halstuch über den Kopf, so dass nur noch die Gesichter rausschauen. „Ihr werdet sonst noch krank. Eure Ohren…es zieht…“ Die Kinder schauen aus wie zu einer Polarexpedition, während ihre Altersgenossen daneben im T-Shirt rumlaufen.

Als mein Man zurückkommt bitte ich ihn, dass wir gehen. Ich hab eh aufgegessen, er auch und wenn ich mich jetzt nicht sofort verziehe, dann vergesse ich mich und sage diesen dummen, gedankenlosen, verschwendungsgeilen Blödhampeln, dass sie ihre Kinder gerade zu den absoluten Arschlöchern verziehen. In mir kocht es. Und wie! Wieviele Besucher habe ich heute gesehen, denen man ansah, dass sie jeden Cent umdrehen müssen? Wieviele Kinder bekamen heute kein Eis, weil es im schmalen Budget einfach nicht drin war? Und diese aufgebrezelten Konsumgeilen lassen sich von ihrem Kind vorführen und manipulieren, und werfen dabei noch Essen weg? Als wir gehen steht das angetrunkene Glas Sprite immer noch auf dem Tisch. „Papa, warum packen die alle zusammen. Wir wollen uns doch den Markt ansehen. Papaaaa……“ Irgendwie werde ich gerade richtig sauer. Nix wie weg, sonst sage ich noch Sachen, die mir hinterer NICHT leid tun werden.

Ich wünsche dieser Familie nichts Schlechtes. Ich hoffe nur, dass sie niemals erfahren müssen, wie weh eine leere Geldbörse, ein leerer Kühlschrank, eine dunkle und kalte Wohnung tun. Ich hoffe sie müssen niemals Essen aus dem Müll holen oder Pfandflaschen sammeln. Oder ihren Kindern erklären, warum es nicht mit auf Klassenfahrt geht, es keine Geschenke zum Geburtstag oder zu Weihnachten gibt. Leider ist dies für viele Menschen auch in unserem Land heute schon traurige Realität. Und gerade daher macht mich das Verhalten der Eltern so verdammt wütend. Die Gedankenlosigkeit, mit der hier Lebensmittel gekauft und dann entsorgt werden, lässt meine Magensäure steigen. Und alles nur, weil der kleine Prinz da plärrt und was will? Ich wäre gern dabei, wenn die Kinder größer werden und damit ihre Forderungen. „Mamaaaa, ich will ein Iphone….Papaaaa ich will…..“Ob die Eltern ihren Kindern mit dieser Erziehung einen Gefallen tun? Ich bezweifle es.

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Leben und Tod

sind ein und dasselbe. So sagte es jedenfalls die Dame Mariko im Film Shogun zu „Anjin San“, ihrem Geliebten. Sie wollte ihm damit die japanische Sichtweise erklären.

Leben und Tod… ob sie wirklich ein und dasselbe sind, kann und mag ich nicht beurteilen. Aber sie liegen so verdammt nah beieinander.

Letzte Woche habe ich mich vor einer Beisetzung gedrückt. Eine junge Frau, 25 Jahre alt, war nach hoffnungsloser Prognose wie durch ein Wunder auf dem Weg der Besserung, hatte sich über 7 Wochen ins Leben zurückgekämpft. Plötzlich starb sie ohne Vorwarnung unter ungeklärten Umständen, obwohl alles so positiv aussah. Ich habe mich wirklich vor der Trauerfeier gedrückt. Was sage ich, wenn ich vor den Eltern stehe, die ihr Kind zu Grabe tragen? Was macht das mit mir, wenn ich dort jemandem die letzte Ehre erweise, der mein Tochter sein könnte, und halb so alt war wie ich? Ich wusste es nicht, und ich konnte nicht hinfahren. Ich war nie gern auf Trauerfeiern, gehöre nicht zur sogenannten „Streuselkuchemafia“, die hier auf den Dörfern so oft anzutreffen ist. Trauertourismus ist mir fremd. Ich leide immer mit den Angehörigen und mir kommen immer die Tränen. Egal, wie eng das Verhältnis zu Verstorbenem und Hinterbliebenen ist.

Man kann sich drücken, aber nicht für lange.

Und so musste ich am Dienstag nun doch zu einer Beerdigung. Auch eine, zu der ich so gar nicht hinwollte. Diesmal jemand, der gerade mal ein Jahr älter war als ich. Ein vierfacher Familienvater und mehrfacher Grossvater, der mitten im Leben stand, seine Landwirtschaft mit Begeisterung betrieb und immer weiter ausbaute. Jemand, den ich nie aggessiv oder böse erlebte, jemand der immer ein offenes Ohr hatte. Eine „kurze und schwere Krankheit“ hat ihn besiegt.

Das ganze Dorf muss auf dem Friedhof gewesen sein, und noch viele Menschen mehr. Die Kapelle war voll, der Platz davor und der Weg bis zur Straße. Fast die gesamte Hauptstrasse war beidseitig mit parkenden Autos belegt. Meine beiden Begleiter (wir waren als offizielle Abordnung unseres Motorradclubs da) übergaben unser Blumengesteck an den Bestatter, der es in die Friedhofskapelle trug. Was haben meine Hände beim Eintrag in das Kondolenzbuch gezittert. Genauso gezittert wie beim schreiben der Trauerkarte zu Hause. Ich war froh, als ich mit meinen Brüdern vom MC endlich etwas abseits stehen konnte.

Und dann standen wir da, lauschten der Trauerfeier über die an der Kapelle angebrachten Lautsprecher. Der Pfarrer selbst hatte Mühe die Predigt zu halten. Seine Betroffenheit und Trauer merkte man ihm in jedem Wort an. Es ging darin um Gott, um Trost. Das muss wohl so sein. Meine Blicke irrten in den Himmel, der nach dem morgendlichen Regenguss nun so pünktlich zur Trauerfeier aufgeklart war. In der großen Friedhofseiche hielt ein Turmfalkenpärchen lautstark Hochzeit, eine Elster baute an ihrem Nest. Kopulierende Feuerwanzen krabbelte am Fundament des Friedhofszaunes entlang, im Stall nebenan quiekten Schweine. Und gerade, als der Pfarrer über die Liebe des Verstorbenen zu seiner Familie und zu seinem Beruf als Landwirt sprach, schoss eine ganze Gruppe Schwalben über die Dächer hinweg. Gerade an diesem Tag waren sie aus ihrem Winterquartier zurückgekehrt.

Leben und Vergehen, so eng nebeneinander und doch unwiederbringlich getrennt. Was hätte besser zu Martins Abschied gepasst, zu jemand der als Landwirt das ganze Jahr mit dem Zyklus der Natur lebte? So wie er lebte, so wurde er auch verabschiedet. Seinen Sarg schmückte kein wuchtiges Blumengesteck, nur ein Kranz aus Ähren, Grün und Feldblumen. Und so war auch die Liederauswahl, die gesungen wurde. Ich mochte „morning has broken“ schon immer. Aber in der deutschen Fassung trieb es nicht nur mir die Tränen in die Augen. Ic hwar den Schwalben am Himmel so dankbar, dass ich sie beobachten und mich etwas ablenken konnte.

Das abschliessende Kaffeetrinken haben wir nicht mitgemacht. Es waren genügend Leute da, die die trauernde Familie umschwirrten. wir werden wohl diese Tage mal in Ruhe das Grab besuchen und nochmal „auf Wiedersehn“ sagen.

Ruht in Frieden, Shelly und Martin.

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Anstand, das Gegenteil und eine Menge Folie

„Kind, hast du denn keinen Anstand“, hiess es früher immer, wenn ich  mal nicht ordnungsgemäss gegrüsst oder mal nicht die Tür aufgehalten hatte. „Keinen Anstand haben“ war gleichbedeutend mit keine Manieren, schlechtem Benehmen, „schlechter Kinderstube“. Etwas „anständig“ machen, anständig sein, ein „anständiger Mensch“. Begriffe und Wertvorstellungen, die anscheinend langsam aber sicher im Nebel des letzten Jahrhunderts verschwinden.

Zumindest hatte ich am Wochenende diesen Eindruck. Unser örtlicher Landmaschinenhändler hatte zur jährlichen Frühjahrsausstellung geladen, die (und das nicht nur von mir) gern auch als „Gummistiefelkirmes“ bezeichnet wird. Mir erschließt sich bis heute nicht, warum man ausgerechnet am Wochenende zwischen unzähligen Landmaschinen herumläuft, völlig überteuerte Devotionalien einer bestimmten Landmaschinen-Marke kauft, sich mit Bratwurst, Pommes und Bier befüllt um dann Abends noch zu den Klängen einer Kirmesband weiter Alkohol in sich hineinzuschütten und „Atemlos durch die Nacht“ mitzugröhlen. Nun ja, wer es mag, der soll hingehen und seinen Spaß haben. Ich gehe definitv nicht. So unterhaltungstechnisch ausgehungert kann ich nicht sein, als dass ich mir DAS antun würde. Da unser Schlafzimmerfenster in die Richtung der Feiernden zeigt, bekomme ich auch unfreiwillig genug vom dargebotenen Schrott Programm.

Offensichtlich geht es da etlichen Menschen in den verschiedenen Altersgruppen komplett anders. Zumindest setzte (wie jedes Jahr) gegen Abend ein reger Publikumsverkehr ein, der sich in unserer Straße durch etliche „Fremdparker“ bemerkbar machte. Nachdem zu späterer Stunde auch ein Fahrzeug vor unserem Haus parkte und seine Insassen lautstark kundtaten, dass sie wohl „vorgeglüht“ hatten, wurde ich doch neugierig und öffnete die Haustür. Eine Gruppe junger Leute entstieg dem Auto, um sich zielstrebig auf den Weg zur Quelle der Verblödung Unterhaltung zu machen. Einer von ihnen kam allerdings nicht weit. Im Schatten der Fichten im Vorgarten stoppte er auf dem Gehweg, öffnete seine Hose und schickte sich an, in unseren Vorgarten zu pissen. Nicht nur dass dort mein Steinaltar steht, ich HASSE solche ein Verhalten grundsätzlich wie die Pest. Na warte! Flugs den Lichtschalter betätigt und unsere erst kürzlich installierte Vorgartenbeleuchtung beschien den Übeltäter und sein ausgepacktes Schwänzchen mit der vollen Kraft mehrerer leuchtstarker Halogenlampen. Dazu flitzte ich aus dem Haus (so schnell ich konnte) und brüllte, dass ich ihm Beine machen würde. Ehrlich, ich habe noch nie jemanden so schnell abhauen sehen. Ob er das mit heraushängendem Schniepel tat, oder sich sein Würstchen im Reissverschluss einklemmte, kann ich leider nicht sagen. Er war einfach zu schnell seinen Kumapnen hinterhergerannt.

Wildpinkeln verboten. Quelle: www.oz-online.de

Quelle: www.oz-online.de

Tja das ungehemte Revierpinkeln. Offensichtlich auch ein Merkmal dieser Festbesucher-Klientel. Ehrlich, da geht es auf jeder Rockerfete friedlicher und gesitteter zu. Und in Sachen Rockerfeten hab ich gut 27 Jahre Erfahrung. Immerhin erschloß sich mir jetzt, warum rings um den ausstellenden Gewerbebetrieb alle Zäune und Hecken mit Folie abgehängt waren. Offensichtlich schaffen es die Festgäste trotz aufgestelltem Toilettenwagen nicht, diesen auch zu benutzen und pinkeln hemmungslos an die Hecken der umgebenden Grundstücke. Was das dufttechnisch bei trockener Witterung und intensiver Frühlingssonne für die Bewohner bedeutet, kann man sich sicher lebhaft vorstellen. Pissemuff statt Primelduft. Leider reicht die Folie nicht bis zu unserem Haus, und unser Zaun ist auch zu niedrig, so dass jeder Dödel den Seinigen locker drüberhängen kann. So bleibt mir wohl nur übrig, im nächsten Jahr auch bei verdächtigen Geräuschen mal leise die Tür zu öffnen und zu schauen, ob es sich um „anständige“ Fußgänger oder elende Wildpinkler handelt. Vielleicht sollte ich doch mal mit einer Autobatterie und Weidezaundraht experimentieren? Eine passende Hymne hätte ich auch schon: „Dieses Kribbeln im Schlauch, dass du neiemals vergisst, wenn du an einen geladenen Weidezaun pisst…“ Die würde ich dann ganz genüsslich vor mich hinträllern, während der gemaßregelte  „Anstandslose“ mit elektrisiertem Zipfel von Dannen hüpft.

Apropos Folie: Mir tun die Schergen Mitarbeiter leid, die nach Ende der Veranstaltung die ganze vollgepinkelte Folie entfernen „durften“. Das war sicher ein besonders beliebter „Spezialauftrag“.

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